Der Präfrontale Kortex - unser sogenanntes Stirnhirn - was der macht? Seine Haupttätigkeit ist hemmen. Warum ist die Hemmfunktion des Präfrontalen Kortex so wichtig? Der präfrontale Kortex ist der entwicklungsgeschichtlich jüngste und damit der menschlichste Teil unseres Gehirns. Er befindet sich direkt hinter der Stirn und macht etwa 5% (vielleicht auch ein bisschen mehr, da gibt es unterschiedliche Angaben) von unserem Hirnvolumen aus. Struktur des Präfrontalen Kortex Die Bereiche werden funktionell unterschieden in ventral – dorsal und medial – lateral. Besondere Aufmerksamkeit verdient der Orbito-Präfrontale Kortex. Er liegt hinter dem Bereich zwischen den Augenbrauen, wo man bei Menschen, die dem hinduistischen Glauben angehören, einen roten Punkt finden kann. Die genaue Zuordnung von Funktionen eines jeden Bereiches ist ein noch aktuelles Thema der Forschung. Tendenzen können festgestellt werden. Was ist in diesem Fall mit menschlich gemeint?Das kann von verschiedenen Seiten betrachtet werden. Genetisch unterscheiden wir uns nicht viel von Säugetieren. Jedoch gibt es alles mögliche, wofür wir als Mensch die Möglichkeit der Hemmung brauchen. Zum Stillsitzen in einem selbstbestimmten Moment zum Beispiel. Wenn wir einmal versuchen, eine halbe Stunde uns einfach gar nicht zu bewegen, auch den Zungengrund und die Augenbewegungen still werden zu lassen, kann das zur herausfordernden meditativen Übung werden, in der wir die Impulse uns zu kratzen, den Fuß zu verschieben, den Kopf zu richten, eine Fliege zu verjagen oder uns einem Geräusch zuzuwenden, immer wieder NICHT ausführen, also inhibieren. Da hilft uns die Hemmfunktion des präfrontalen Kortex, wir brauchen sie dazu. Das können wir nun übertragen auf alle möglichen Bereiche. Die exekutiven Funktionen, also das eigene Verhalten unter Berücksichtigung der Bedingungen der Umwelt zu lenken, zu dirigieren, zu inhibieren, besonders dann, wenn wir gewohnte Handlungsmuster zur Lösung eines Problems als nicht passend oder ausreichend erklären. Die emotionale Regulation, beispielsweise kann ich meine Aufmerksamkeit schärfen für Emotionen die sich anbahnen und hier die Regulation üben, wie stark und in welcher Form diese Emotion hervortritt, ohne sie unterdrücken zu wollen. Eine schon erscheinen wollende Emotion, wie z.B. Wut, die unterdrückt wird, kann im Körper enorme Spannung auslösen. David Rock beschreibt in seinem Buch: “Your brain at Work”, wenn eine Person in einem Gespräch seine aufsteigen wollenden Emotionen unterdrückt, kann dies auslösen, dass der Blutdruck bei seinem Gesprächspartner steigt. Für beide Seiten eine eher unangenehme Situation. Er empfiehlt in einem solchen Fall, wenn die Emotion schon so weit hochgekocht ist, dass man sie nur noch mit Mühe unterdrücken kann, diese zu benennen “zu labeln” oder zu shiften und zum Beispiel die Perspektive des Gegenübers einzunehmen. Je besser wir uns kennen, können wir beginnen, die Empfindungsqualitäten, die den Emotionen vorausgehen, zu erkennen, zu erleben und flexibel in unseren Reaktionen zu bleiben, wie wir es in den verschiedenen Situationen als kohärent empfinden. Planung, Lenken der Aufmerksamkeit, den Fokus enger oder weiter zu “stellen”, die Achtsamkeit, in Geistesgegenwart wie ein beständiges Miterleben des Bei-sich-selbst -dabei-seins und das Beobachten und Lenken von Reaktionen auf äußere und innere Reize und Attraktoren sind weitere Bereiche, die hier genannt werden können. Entscheidungen und das inhibieren von alten, nicht mehr gebrauchten oder gewollten Gewohnheiten sowie das Erlernen von neuen, zu der neuen täglichen Routine besser passenden Gebräuchen, wie z.B. die Gewohnheit, zickig oder enttäuscht auf meinen Partner zu reagieren, wenn er nach der Arbeit energielos und ausgelaugt nach Hause kommt und sich neue, für ihn oder sie aufbauendere Reaktionen angewöhnen. Aus dem oben genannten resultierend der Umgang mit Stress und Angst, bis hin zum sozialen Miteinander, wie z.B. mich selbst und meine Bedürfnisse für andere zurücknehmen oder aufschieben zu können und unserem Denken. Die Funktion des Präfrontalen Kortex am Beispiel Phineas Gage Die Funktionen des Präfrontalen Kortex wurden vor allem dann entdeckt, wenn Bereiche auf einmal ausgefallen waren, wie z.B. bei Menschen, bei denen bei einem Unfall Teile des Vorderhirns verletzt wurden. Ein vielgenannter Fall hierfür ist der in Amerika geborene Phineas Gage, dem bei einem Unfall eine Eisenstange durch den Kopf gestoßen wurde, genau da, wo das Frontalhirn sitzt. Es war erst einmal erstaunlich, dass seine motorischen Funktionen, Sprache und auch Erinnerung nicht beeinträchtigt waren. Was sich verändert hatte, war seine Fähigkeit der eigenen Steuerung und Regulierung. Ein vorher höflicher, zuvorkommender und sozial gut integrierter Mensch war nun unleidlich, impulsiv und konnte nicht mehr gut mit Geld und Alkohol umgehen Malcolm Mc Millan, der sich ausführlich mit dem Fall beschäftigte, erklärte, dass davon ausgegangen werde, dass später eine sogenannte psychosoziale Erholung stattgefunden habe und Phineas Gage wieder gesellschaftsfähiger geworden war. Das könnte auch ein Indiz für die Plastizität unseres Stirnhirns sein. Unser präfrontaler Kortex ist erst mit Mitte 20 vollständig ausgebildet und bleibt das ganze Leben über plastisch, was uns zum Beispiel hilft, uns neuen Umständen anzupassen, uns neue Gewohnheiten anzueignen und flexibel in verschiedenen Lebenssituationen zu reagieren. Wir können den präfrontalen Kortex auch trainieren, um z.B. seine Aktivität und Homogenität der Aktivierung anzuregen. “Between stimulus and response there is a space. In that space is our power to choose our response. In our response lies our growth and our freedom.”
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AuthorJohanna Berndt, MBA and NeuroCeption-Trainer ArchivesCategories |